In jenen Tagen, in einem verschneiten, adventlich geschmückten Städtchen namens Neumarkt, eigentlich ja Holzheim, leben zusammen mit ihren Eltern die Schwestern Sarah und Hannah. Sie sind, nur nebenbei erwähnt, außerhalb dieser Erzählung gerade auf Herbergssuche, was gut in diese vorweihnachtliche Zeit passt. Christlich gesehen ist es also das Jahr Null für die Geschwister, ja gar für die ganze Familie – aber dies ist wieder eine andere Geschichte und wird später zu erzählen sein. Die beiden jedenfalls haben eine bezaubernde, zweijährige Nichte namens Linda, die in Deining lebt – in einem Dorf hinter den sieben Bergen - zwar nicht mit den sieben Zwergen, aber auch nicht allein daheim (ist noch zu klein). Die Schwesterlinge in Holzheim beschließen spontan ein ganz besonderes Krippenspiel auf die Beine zu stellen – eines, das die Welt noch nicht gesehen hat.
Sarah, die ältere der beiden Schwestern, ruft begeistert: "Hannah, lass uns die heiligen drei Königinnen spielen! Wer braucht schon Könige, wenn man Königinnen haben kann?" Hannah nickt zustimmend: "Genau, aber wer soll unsere dritte Königin sein?"
In diesem Moment stapft die kleine Linda zur Küchentür herein, die mit ihren Eltern Lea und Jonas gerade zu Besuch gekommen ist. Felix, ihr vier Monate alter Bruder, ist auch mit dabei. Der kleine Wirbelwind Linda hat schon vom Gang aus zugehört und strahlt begeistert auf ihre unverwechselbare Art: „Ich Königin“. In der Hand hat sie ihren geliebten Anton, eine von Hannah gehäkelte kleine Schildkröte, die sie von ihr geschenkt bekommen hat. Das grüne, wollene Panzertierchen hütet sie wie einen Schatz. Schnell ist die Idee geboren - um es vorweg zu nehmen, auch schon das Jesuskind, aber dazu später - eine Krone aus Alufolie zu basteln und auf dem Kopf von Linda zu drapieren. „Ich Königin“ lacht Linda nochmal, als sie ihr Spiegelbild in der gläsernen Türklappe des Küchenherdes erblickt. Die Schwestern, Hannah 25 Jahre, Sarah 31 Jahre, sehen sich trotzdem – siehe Alter - in kindlicher Freude an: "Na, da haben wir ja unsere dritte königliche Majestätin, wer sagt’s denn?“ (Anmerkung vom Erzähler: Sarah war’s ;-).
Nun machen sich die drei auf die Suche nach dem Jesuskind. Lindas gehäkelte grüne Schildkröte Anton kann es bei aller Liebe ja wirklich nicht sein. Also halten sie Ausschau nach einem „Stall“ und interpretieren Hannah`s Zimmer als den Ort, wo die Niederkunft des kleinen Messias in ihren Augen stattgefunden haben soll. Also machen sie sich dorthin auf den Weg, einfach ausgedrückt: Den Flur entlang gegangen, schon ist man da. Ein Hirtenhund, ich meine natürlich Hannah`s Assistenzhündin Ellie, sitzt auf den alten, morschen Holzdielen, die man in Baumärkten Parkett nennt und begrüßt die Ankömmlinge scheinbar ehrfürchtig mit einem unterdrückten, leisen „Wuff“. Dieses fällt nicht aus Rücksicht auf das noch aufzufindende Gottessöhnchen so zaghaft aus, sondern weil man als Assistenzhund in bestimmten Situationen gar nicht bellen soll. Und dies ist gerade so eine Situation, deren Erklärung jedoch an dieser Stelle den Rahmen der Geschichte sprengen würde. Mit ihren großen, hirtenhundbraunen Augen starrt Ellie die drei Königinnen, eine nach der anderen an, steht dann auf und trottet zur Couch.
Dort legt sie den Kopf schief, schnüffelt an den großen, weichen Kissen, was ein sehr leises „Miau“ und ein ziemlich lauteres „Fauch“ auslöst. Das sind Stimpi und Merle, die beiden StubenOchs und -Esel, äh, …-Tiger. „Wir sind da“ flüstert die heilige Sarah Casparin, „ja, hier muss es sein“, haucht Hannah Balthasarin zurück. Die kleine hellhäutige Melchiorin lacht: „Linda Königin!“ Dann sehen sie die Krippe: Ein Wäschekorb voller weicher Korbwäsche, etwas versteckt hinter den besagten Kissen. Ein Hirte aus der Küche hatte sich kurz vorher ganz unauffällig mit dem nichtsahnenden Felix auf dem Arm unter einem absurden Vorwand von der „Besucherherde“ gelöst. Mit stoischer Ruhe wurde die heilige Stätte in Hannah’s Zimmer vorsorglich vorbereitet und der viermonatige Enkel absturzsicher im Wäscheparadies abgelegt. „Mensch Opa“, biss ihn das Gewissen kurz, doch schon kommen die heiligen drei Königinnen angeschlichen. In Hannah’s Zimmer sitzt der Hirtenhund… halt, da waren wir ja schon ;-)
"Oh mein Gott!", ruft Sarah gekünstelt überrascht, um bei der zweijährigen Lindakönigin Eindruck zu schinden. "Wir haben unser Jesuskind gefunden!" „Und schon so groß, kurz nach der Geburt“ betont Hannah im gleichen Stil. Linda schaut ungläubig - wenn ich das Wort hier verwenden darf – und nähert sich mit angemessenem Trippeschritt dem Wäschekorb. StubenOchs und -Esel strecken sich kurz, Vorderpfoten und Krallen ausgestreckt, dann verlassen sie das heilige Sofa Richtung Küche, ist ja nur ein Katzensprung.
In diesem Moment kommen Lea und Jonas, die Eltern von Linda und Felix, ins Zimmer. "Was ist denn hier los?", fragt Jonas akkurat, als gäbe es einen Fall aufzuklären, einen „Cold Case“ sozusagen, oder sowas ähnliches. Sarah grinst schelmisch und tiefsinnig, oder war’s unsinnig(?): „Willkommen Maria und Joseph im Stall von Holzheim.“
Lea schaut in den heiligen Waschkorb, sieht den darin befindlichen Sohn Felix und lacht. "Na gut, dann spielen wir eben mit. Wer übernimmt das Gefolge der bereits hier anwesenden heiligen drei Königinnen?“
Als hätten sie nur auf ihr Stichwort gewartet, betreten der ehemalige Hirte Opa Werner und Oma Reny, eine mächtige Fürstin, wie man unter vorgehaltener Hand tuschelt, Hannah`s Zimmer. "Wir haben Plätzchen gebacken!", verkündet die hochwohlgeborene Oma loyal. Das übrige Gefolge, in Form von Opa Werner, fügt demütig hinzu: "Und ich habe Kinderpunsch mitgebracht, mit original orientalischen Gewürzen aus dem Morgenland. War im Angebot“. Na gut, die letzte Information hätte es hier nicht gebraucht.
Ach, wie gerne wäre Opa Kaiser Augustus, der hie und da einen lustigen Befehl der Volkszählung erlässt, wenn wieder jemand bei den Forsters oder deren Verwandten geboren wird.
Oder zumindest Herodes, nein nein, der war ja gegen die Einjährigen, glaube ich! Glaube ich…?
Spaß beiseite, lassen wir die Geschichte ausklingen, mit Zimbeln und Harfenspiel, um es mal übertrieben gleichnisvoll zu umschreiben.
Sarah klatscht also in ihre königlichen Hände. "Perfekt!“ Bringt alle eure Gaben zum Jesuskind!"
Rasseln und Beißringe werden gereicht, Greifringe und –Bälle wandern in die Wäschekrippe, wo Felix allmählich ungeduldig und hungrig wird, was wiederum Mama Lea-Maria auf den Plan bringt: „Ah, komm her, kleiner, süßer Jesusracker,“ und die Speisung in Mamas Armen, nicht zu verwechseln mit `die Speisung der Armen`, beginnt.
In der Zwischenzeit, danach und sowieso, werden Omas leckeren Plätzchen verzehrt, Lindas mit Marmeladenfüllung bekleckerten Hände kommentiert sie selbst mit „Hände mutzig, Linda Königin“. Opa Werner beschüttet sich während einer seiner Hustenorgien unrühmlich mit Kinderpunsch - und so weiter und so weiter.
So verselbstständigt sich das Krippenspiel in einer Art und Weise wie es die Welt noch nicht gesehen hat, im positiven Sinne natürlich. Zumindest Familie Forster meint es, das mit dem „Gut drauf
und so“ – und das meinen sie bei jeder nächstbesten Zusammenkunft und bei jeder Feierlichkeit.Ob die „Deininger“, die heilige Familie Lea, Jonas, Linda und Felix zum Eieressen im Frühling auch
wieder nach Holzheim kommen, oder wir, die Holzheimer „Hasengang“ nach Deining? Bestimmt! Wie gesagt, …bei jeder nächstbesten Zusammenkunft und Feierlichkeit: Jawoll, wir können auch Ostern! ;-)
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