WeihnachtsGeschichten

Jesus - Adventsspaziergang durch Neumarkt

Es war ein kalter Dezembertag im Jahr 2024, als Jesus beschloss, dem bayerischen Städtchen Neumarkt einen Besuch abzustatten. Mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen schlenderte er durch die weihnachtlich geschmückten Straßen, unerkannt von den geschäftigen Passanten, die eilig ihre letzten Weihnachtseinkäufe erledigten.

"Meine Güte", dachte Jesus, als er am Rathaus ankam und vor dem Bronzerelief der Neumarkter Altstadt stehenblieb. "Die haben aber ordentlich aufgerüstet seit meinem letzten Besuch!" Er betrachtete die detailreiche Darstellung der Stadt und konnte nicht umhin, über die imposanten Kirchen zu staunen, die das Stadtbild dominierten.

"Donnerwetter", murmelte er und kratzte sich am Bart. "Die haben ja richtige Prachtbauten für mich hingestellt. Ob die wohl wissen, dass ich eigentlich lieber unter freiem Himmel gepredigt habe?"

Sein Blick wanderte über die Abbildungen der St. Johannes Kirche und der Hofkirche "Zu unserer lieben Frau". "Holla die Waldfee, die sind ja größer als der Tempel meines Vaters in Jerusalem!", kicherte er. Dann fiel sein Auge auf die etwas kleinere, aber offensichtlich frisch renovierte evangelische Christuskirche. "Ah, die Protestanten", schmunzelte er. "Immer für eine Überraschung gut. Modern und ansprechend – so mögen wir das!"

Während Jesus so in Gedanken versunken das Relief betrachtete, bemerkte er, wie sich eine kleine Menschentraube um ihn gebildet hatte. Die Leute musterten ihn neugierig, vermutlich wegen seines etwas ungewöhnlichen Aussehens – lange Haare, Bart und Sandalen waren im winterlichen Bayern nicht gerade der letzte Schrei.

"Na", dachte sich Jesus, "wenn ich schon mal hier bin, kann ich ja auch ein bisschen was Sinnvolles von mir geben." Er räusperte sich und wandte sich an die Umstehenden: "Liebe Freunde, lasst mich euch ein paar weise Worte mit auf den Weg geben – sozusagen als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk!"

Die Leute schauten ihn verdutzt an, aber niemand ging weg. Jesus grinste in sich hinein und begann: "Passt auf, ich erkläre euch mal die zehn Gebote auf moderne Art und Weise, zumindest einige davon, also wer Ohren hat der höre, wer Augen hat, …“

Er hob theatralisch einen Finger und verkündete: "Erstens: Lügen haben kurze Beine! Merkt euch das, Leute. Wer lügt, der läuft nicht weit. Und glaubt mir, ich weiß, wovon ich rede – ich bin mal übers Wasser gelaufen, gelaufen und gelaufen… und übrigens: Der Weg ist das Ziel, aber das ist wieder eine andere Geschichte.“

Ein paar Zuhörer kicherten unsicher, aber Jesus ließ sich nicht beirren. "Zweitens: Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz. Das gilt übrigens auch für Menschen, nur so am Rande bemerkt."

"Drittens", fuhr Jesus fort, "Was du nicht willst, was man dir tu', das füg' auch keinem andern zu. Einfach, oder? Quasi das Grundprinzip von Anstand und gutem Benehmen. Merkt's euch!"

Ein Mann in der Menge rief: "Und was ist mit 'Du sollst nicht stehlen'?"

Jesus grinste breit. "Ah, gute Frage, mein Freund! Dazu sage ich nur: Woher nehmen und nicht stehlen? Tja, da muss man eben kreativ werden. Arbeit zum Beispiel ist eine tolle Erfindung. Probiert's mal aus!"

Die Menge lachte nun offen, offensichtlich amüsiert von diesem seltsamen, aber sympathischen Straßenprediger. Jesus war in seinem Element und legte nach: "Jetzt wird's ein bisschen heikel, Leute. 'Auge um Auge, Zahn um Zahn' – kennt ihr den Spruch? Vergessen wir den am besten gleich wieder, versteht heute keiner mehr, tut nichts zur Sache. Nehmen wir stattdessen: Der Klügere gibt nach. Klingt langweilig, ich weiß, aber glaubt mir, es erspart euch 'ne Menge Ärger und zahnärztliche Rechnungen!"

Er machte eine dramatische Pause und blickte in die Runde. "Apropos Rechnungen – 'Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut.' Wisst ihr, was dazu passt? Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Also, wenn ihr das nächste Mal neidisch auf den neuen Sportwagen eures Nachbarn schielt, haltet einfach die Klappe. Spart Energie und schont die Nerven aller Beteiligten!"

Die Menge johlte vor Vergnügen. Jesus fühlte sich ermutigt und setzte zum Finale an: "Und zu guter Letzt, meine Freunde: Stille Wasser sind tief. Das passt zwar nicht direkt zu den zehn Geboten, aber ich fand, es klingt irgendwie cool und geheimnisvoll. Außerdem wollte ich euch daran erinnern, dass man Menschen nicht nach ihrem Äußeren beurteilen sollte. Wer weiß, vielleicht steht ja gerade der Messias vor euch, und ihr merkt es gar nicht!"

Er zwinkerte verschmitzt, während die Menge in schallendes Gelächter ausbrach. Ein kleines Mädchen zupfte an seinem Gewand und fragte: "Bist du Jesus?"

Jesus beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte verschwörerisch: "Was denkst du denn, meine Kleine?"

Das Mädchen kicherte und meinte: "Nein, du kannst nicht Jesus sein. Der hätte bestimmt keine so lustigen Witze gemacht!"

Jesus lachte herzlich und tätschelte ihr den Kopf. "Da hast du vielleicht recht, meine Kleine. Aber weißt du was? Manchmal überrascht uns das Leben – und sogar Jesus – auf die lustigste Art und Weise."

Mit diesen Worten verabschiedete er sich von der begeisterten Menge und setzte seinen Spaziergang durch Neumarkt fort. Als er an der Christuskirche vorbeikam, blieb er kurz stehen und betrachtete das schmucke Gebäude. "Nicht schlecht", murmelte er anerkennend. "Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal auch ein bisschen was aufpeppen. Eine Himmelsrolltreppe wäre doch was, oder?"

Schmunzelnd ging er weiter, während hinter ihm die Glocken zu läuten begannen. Die Adventszeit in Neumarkt hatte gerade eine ganz besondere Note bekommen – auch wenn niemand es wirklich bemerkt hatte. Aber vielleicht, so dachte sich Jesus, war genau das der Sinn der Sache. Ein bisschen Freude verbreiten, ein paar Herzen erwärmen und den Menschen zeigen, dass selbst die heiligsten Dinge mit einem Augenzwinkern betrachtet werden können.

Als er am Stadtrand ankam, drehte er sich noch einmal um und betrachtete das weihnachtliche Treiben. "Frohe Weihnachten, Neumarkt", sagte er leise. "Bis zum nächsten Mal – und vergesst nicht zu lachen!" Mit einem letzten Schmunzeln verschwand er in der winterlichen Dämmerung, eine Spur von Heiterkeit und Wärme hinterlassend, die noch lange nachwirken würde.